Zustandsbeschreibungen von Oldtimern im Alltag


ODER

Das Optimum heißt stets "rostfrei und ungeschweißt"

Aber wer hat behauptet, daß man Spachtelmasse schweißen müsse?
Und rosten tut sie auch nicht!






Ich habe lange Zeit nach einem guten /8 gesucht und dabei schon einige "Merkwürdigkeiten" und über Nacht stark gealterte Autos erlebt...

...aber DAS HIER war wirklich TOLL!!!



Im April 2001 fand ich eine interessante Annonce in der Zeitung, Rubrik "Oldtimer". Das Inserat lautete:

"MB 250 /8, Bj. 71, TÜV 03, guter Zustand, keine Schweißarbeiten erforderlich"

Bei dem angekündigten Preis von 3.800,-DM war mir ja schon klar, daß es sich nicht um ein echtes Sahnestückchen handeln konnte - aber ein Anruf kann nie schaden!



Der Verkäufer erklärte mir am Telefon in gebrochenem Deutsch, daß der Wagen dunkelblau mit beiger Innenausstattung sei, eine Automatic hätte (das war für mich sehr wichtig und ich hatte ausdrücklich nachgefragt) und in gutem Zustand wäre. Er hätte keinen Rost (!), wäre auch nicht geschweißt worden und sei "ein wirklich schönes Auto".

Die Beschreibung war jedenfalls NICHT VÖLLIG falsch gewesen: der Wagen den ich dann zwei Stunden besichtigte, war wirklich ein blauer 250 /8 von 1971...

Von vorne sieht er ja richtig gut aus!

über den einen blinden Scheinwerfer kann man ja mal hinwegsehen - welches Auto ist schon perfekt...


Aber was ist das?

ein SOO schönes Auto mit einer SOLCH FIESEN Spachtelstelle?



Mein Gott...

was war denn DA bloß reingekracht???
Die Haube ließ sich übrigens NICHT öffnen, sie war durch die eingedrückte Seitenwand verklemmt.



Aber...

...das Auto sollte doch UNGESCHWEISST sein und "schön" aussehen?!?



Aber wenigstens rostet es nicht...

...oder etwa doch?



Ungelöste Fragen der Menschheit:

Wie kann man nur so schlecht spachteln?
Wie kann man nur so mies Bleche einbraten?
Und wie um alles in der Welt bekommt man nur dieses hübsche Muster in den Lack???



Leider konnte ich nicht im Bild festhalten, wie nett sich die hintere linke Tür farblich vom restlichen Auto abhob (sie war mehr dunkelblau-matt mit hellen Sprenkeln dort wo sich die Farbe wieder verabschiedete) und auch die kraterartige Durchrostung des Wasserkastens war mir nicht zu fotografieren vergönnt gewesen :-(

Daß die Schweller beidseitig von vorne bis hinten verrottet waren, rundete das Gesamtbild sehr schön ab!



Allerdings war das Auto eine ECHTE Rarität: es war nämlich eines der sehr seltenen Automatic-Modelle mit DREI Pedalen...

(aber FRISCHEN TÜV soll die Mühle gehabt haben?!?!?)

Und der Verkäufer gab sich ahnungslos: "Ist nicht meine Auto, Kollega haben gesagt ich sollen Auto zeigen!"

Ich will ja das alte Klischee nicht bedienen, aber es handelte sich tatsächlich um einen Händler mit nah- bis mittelöstlicher Abstammung. :-(



Also ging die Suche weiter...



Aber immerhin: über diese Besichtigung habe ich mich nicht sonderlich geärgert, schließlich stand das Auto gerade einmal 15 km von meiner Wohnung entfernt.

Wenn ich für DIESES Auto genausoweit gefahren wäre wie für das nächste, hätte ich den Verkäufer wahrscheinlich erschlagen und in seinem eigenen Kofferraum deponiert!

(Ein Schicksal, dem der nächste Verkäufer auch nur mit Mühe entgehen konnte...)



Der nächste Versuch hat leider nur ein einziges Foto erbracht – das Auto stand in einer dunklen und engen Werkstatt, so daß die "interessanten" Stellen leider nicht abgelichtet werden konnten. :-(


Dieser Wagen stand in knapp 300 km Entfernung, und ich habe dem Verkäufer mehrmals ausdrücklich gesagt daß ich diese Strecke nicht fahren möchte nur um mir ein schlachtreifes Wrack anzusehen.
Er verneinte dies auf das Heftigste!

Das Auto sollte in hervorragendem Zustand sein, ein wahres Prachtstück ohne jeglichen Rost, Spachtel oder irgendwelche anderen Schäden. Nach dieser Beschreibung hätte das Auto absolut neuwertig sein müssen (wofür der aufgerufene Preis von VB 6.800,-DM ein echtes Schnäppchen gewesen wäre).

Doch halt: der Verkäufer machte von sich aus auf den einzigen nennenswerten Mangel des Fahrzeugs aufmerksam: er hatte eine falsche Farbe! Der Vorbesitzer hätte den Wagen bereits vor einigen Jahren umlackieren lassen, leider aber in einem Farbton der für den /8 niemals erhältlich gewesen sei und erst mit dem W123 herausgekommen wäre. Einen "echten Puristen" würde das natürlich sofort abschrecken, aber wenigstens sei die (goldene) Lackierung GAANZ HERVORRAGEND gemacht worden, in eine DB-Niederlassung von einem echten Könner – der Lackaufbau wäre jedenfalls tadellos.


Nun ja, das hörte sich ja vielversprechend an, also machte ich mich nach Terminabsprache auf den Weg.

An Ort und Stelle angekommen erklärte der Verkäufer, im Moment sei es "ungünstig", weil das Auto in der Werkstatt stünde – es sei seit drei Tagen nicht mehr angesprungen. (Komisch, am Tag davor war in dem Telefonat noch nicht die Rede!)
Ich möge doch in einer Stunde nochmal wiederkommen, bis dahin hätte er das Auto dann da.

Nach einer Stunde erschien ich wieder und durfte dann dem Verkäufer nachfahren bis zur besagten Werkstatt – eine Hinterhof-Bastelbude...
Dort also stand das Auto, und ein Mechaniker bemühte sich ebenso verzweifelt wie vergeblich, den Motor zu starten.

Ich schritt zur ersten Bestandsaufnahme: beide Radläufe hinten waren völlig rostfrei – aber leider ließen sie auch meinen mitgebrachten Magneten völlig unbeeindruckt. Sie mußten zu 100 % aus Glasfaser bestehen.

Beide hinteren Türen waren eingedellt und die "hervorragende Lackierung vom Spezialisten" mußte wohl von einem Schleifmittelfabrikanten gemacht worden sein – die Dachoberfläche habe ich etwa auf sechziger Körnung geschätzt, darauf hätte man ein Streichholz anzünden können!

Der Innenraum war ähnlich, das blaue Armaturenbrett war mindestens dreimal in voller Länge durchgerissen und die restliche Ausstattung sah auch nicht besser aus.


Der größte Knaller kam aber erst, als ich vorn unter die Haube sehen durfte:

der laut Anruf völlig rostfreie Wasserkasten entpuppte sich als Höhle!

Darauf angesprochen erklärte der Verkäufer mir, daß er mir von einem "kleinen Wasserkastenproblem" aber am Telefon ganz bestimmt erzählt hätte...
Nur hätte ich mir diesen Weg MIT SICHERHEIT nicht für einen Trümmer mit vergammeltem Wasserkasten gemacht! (und schon gar nicht zu DIESEM Preis!!!)

Zu guter Letzt bekam der Mechaniker die Maschine tatsächlich noch ans Laufen. Der Motor sägte im Leerlauf zwischen geschätzten 600 und 1.500 Touren und starb nach zwei Minuten selbsttätig wieder ab, während der Verkäufer mit stolzgeschwellter Brust behauptete daß man daran ja wunderbar erkennen könnte daß der Motor völlig kerngesund sei.

Ich hatte nach der Besichtigung den Verkäufer dann noch leicht entgeistert auf den Zustand des Wagens angesprochen, worauf er antwortete, daß das Auto eigentlich in den Export hätte gehen sollen und er das um jeden Preis verhindern wollte. Schließlich seien schon viel zu viele richtig gute Autos in den nahen Osten gegangen, und dieser hier sei dafür viel zu schade...
Er würde daran auch GAR NICHTS verdienen, sondern sich nur darum sorgen daß das Auto in gute und pflegende Hände käme...

...und ich ziehe mir meine Hose morgens mit ner Kneifzange an!




Soweit mein Erfahrungsbericht.


Leider hatte ich bei vielen früheren Besichtigungen noch keine Digitalkamera, so daß ich diese nicht in Bildern festhalten konnte.

Andere Autos waren zwar teilweise ähnlich schlecht, aber nirgendwo war die Diskrepanz zwischen Beschreibung und Zustand so gravierend wie hier.


Also: Augen auf beim Autokauf! Solche Wracks sind leider deutlich in der Überzahl!

Schönen Gruß,
Robert




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